Die Juden in Tscheraditz (bei Saaz)

n Hugo Golds mehrbändigem Werk „Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart“ (Brünn 1934) heißt es über Tscheraditz

Jüdischer Friedhof von Tscheraditz (Regional Museum Saaz

Die Juden wurden offenbar aus der Herrschaft Trebiče [Trebisch in Mähren] hierher geholt und auf deren Grundbesitz  in Tscheraditz angesiedelt. Auf diesem Grund bauten sie ihr Viertel, nämlich eine geraden Straße mit niedrigen eingeschossigen Häusern. Sie wird bis heute „Judenkiller“ [= Judenkeller] genannt.

Ich habe mit Sicherheit festgestellt, dass Juden folgende Häuser bewohnten: Nr. 27, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 52, 54, 55 und 56. Das sind 13 Häuser. Wahrscheinlich wohnten sie auch in den Häusern Nr. 49, 50, 51 und 53. Am Ende der Straße haben sie eine Synagoge ohne jeden Prunk gebaut. Das weist auf dürftige Verhältnisse hin.

In diesem Tempel, der keine Hausnummer hatte, war auch eine Wohnung für den Kantor. Kantor Joachim Popper war gleichzeitig der koschere Metzger. Was die Familien angeht, heißen diese: Markus Stein Nr. 46, Jacob Stein und Josef Singer Nr. 52, Jacob Keil Nr. 47. Diese waren Gutsherrnjuden. Weiter Seligman Glaser, Samson Abeles Nr. 47, Lazar Glaser Nr. 48, Samson Kohn, Jacob Glaser Nr. 48, David Glaser sen. Nr 43, Seligman Glaser, Moritz Singer (Rabbi und Kantor) Nr. 54. Ab dem Jahre 1844 auch Moritz Abeles Nr. 47. Die Nummern hinter den Namen bezeichnen Häuser, auf die eine Heiratserlaubnis erteilt worden war.

Die Juden lebten ursprünglich von Kleinhandel und Krämerei. Später, als sie frei wurden, trieben sie  Handel im Großen. Ich nenne hier die Berufe der Juden in den Jahren 1839-1859:

Hausierer und Kleinhandel: Jacob Stein, Joachim Wetzler, Aron Keil, Abraham Pasch, Moises Glaser, Hirschmann Glaser, Samson Stein, Samson Abeles, Heinrich Löwi; Metzgerhandwerk: Lazar Glaser, Jakob Glaser (Sohn) Filip Glaser, Josef Basch; Schustergeselle: Nathan Glaser; Häusler: Tobias Stein; Kaufmann: Markus Glaser; Landwirtschaftsprodukte und Viehhandel: Gutman Glaser; Brandweinhersteller: David Glaser. Als Rabbi wirkte Moritz Singer (Haus Nr. 54) in den Jahren 1839 bis 1859

Jüdische Friedhof Tscheraditz (Jiří Fiedler Prag)

Der Friedhof, der 1875 aufgelassen wurde, ist 1 km von der Gemeinde entfernt. Er liegt in dem lieblichen Bachtal des Liboc, umstanden von Obstbäumen und mächtigen Pappeln. Nur ein Feldweg führt dort hin. Es gibt keinen schöneren Platz in Tscheraditz. Der Kirchhof ist quadratisch und von einer niedrigen Mauer umgeben, die von weitem weiß leuchtet.

Ich glaube, dass der Friedhof  keine 200 Jahre alt ist. Er wurde 1875 aufgelassen, als sich die hiesige Kultusgemeinde wegen zu geringer Mitgliederzahl auflöste und Saaz anschloss, ebenso wie Libotschan. Auf dem Friedhof wurden auch Juden von anderswo bestattet: aus Libotschan, Neusattel, Schelesen, (bei Michelob) , aus Horatitz, ja sogar aus Saaz, solange die dort keinen eigenen Friedhof hatten. Es war also ein Regionalfriedhof.

Als die Juden nach 1848 volles Bürgerrecht erhielten, verbesserte sich auch ihre gesellschaftliche Lage. Sie zogen um nach Saaz, 4 km entfernt. Sie gaben ihre Kinder auf höhere Schulen. Die deutsche zweiklassige Schule in Tscheraditz genügte ihnen nicht mehr. Sie fingen an, mit Hopfen zu handeln, kamen in hervorragende Stellungen in Saaz. Viele Saazer Rechtsanwälte und Ärzte haben in Tscheraditz ihre Vorfahren. Ich behaupte aber nicht, das alle Saazer Juden aus Tscheraditz sind.

Quelle: František L. Kopecký, Geschichte der Juden in Tscheraditz bei Saaz, in: Hugo Gold (Hg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn 1929-1934 (gekürzt),  http://digi.landesbibliothek.at/viewer/resolver?urn=urn:nbn:at:AT-OOeLB-1815800  

 

Jüdische Friedhof Tscheraditz

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